Unter unseren europäischen Nachbarn hat der deutsche Humor seit jeher keinen guten Ruf. Besonders auf den britischen Inseln fühlte (und fühlt?) man sich in dieser Hinsicht überlegen, während man auf deutscher Seite über das dortige Essen herzieht, die Italiener für unzuverlässig hält, die Franzosen und Briten für arrogant etc.: kulturelle Klischees eben.
Was auch immer man von solchen Klischees hält, es ist kaum zu leugnen, dass sie, soweit sie sich auf den deutschen Humor beziehen, einen wahren Kern haben. Viele der deutschen humoristischen Tonaufnahmen aus der Frühzeit haben durchaus die Tendenz zum eher schlichten und angestrengten Humor, siehe Beim Zahnarzt oder Am Stammtisch. Ähnliches wäre von manchen Couplets zu sagen.
Die hier noch schwach vertretenen Revuentitel ermöglichen den Einblick in eine heute fast verschwundene Form der Unterhaltungskultur in Berlin und anderen Großstädten (in Frankreich als Cabaret), wo die locker gemischten Unterhaltungsprogramme mit einem Schuss Frivolität, Militär, Musik und guter Laune viele Gassenhauer hervorgebracht haben. Heute noch bekannte Komponisten von Revuen sind u. a. Friedrich Holländer und Paul Lincke.



Der Inhalt der Aufnahme hat eine stark antijüdische Tendenz.


Die Walze hat einen Haarriss, der bis etwa zur Hälfte der Spielzeit als wiederkehrendes Klicken zu hören ist.





Der Dialog ist fast inhaltsgleich mit „Eine Gardinenpredigt“.


Wie viele Celluloidwalzen, ist auch dieses Exemplar geschrumpft und läuft unrund. Die Verformung ist so stark, dass die Walze sich nicht fehlerfrei mit unserem elektronischen Gerät abspielen lässt. Sie wurde auf einem Edison-Home-Phonographen abgespielt und über ein Mikrophon aufgenommen.

Nach Ende der Darbietung Schönwalds ist eine kurze, später hinzugefügte Aufnahme von Kinderstimmen zu hören. Zur Selbstaufnahme sind Gusswalzen nicht geeignet, weil das harte Material schnell den Aufnahmesaphir ruiniert.




Rezension in „Phonographische Zeitschrift”, 8. Jg. Nr. 8, Berlin, 21.02.1907, S. 182-183. Rubrik „Phonokritik” von Max Chop:
„Den Schluß bildet: „Der Hauptmann von Coepenick vor Gericht“ (15611). Der ausgezeichnete Rezitator ist nicht genannt, ich glaube indessen, sein tönendes Baßorgan wiederzuerkennen, muß mich aber freilich mit der Anonymität bescheiden. Das ist ein aktueller Schlager, in dem der Berliner Mutterwitz, gepaart mit gesunder Satire, pulst! In der Unterhaltung zwischen dem Angeklagten Voigt und dem Vorsitzenden des Gerichtshofs jagt ein Witz den anderen. Bald sind‘s Wortspiele, bald kräftige Seitenhiebe, wohl auch mal behagliche Kalauer, – aber wirken tun sie immer. Wer sich auf harmlose Weise unterhalten wissen und herzlich lachen will, der findet im letzten Teil der Kollektion reiches Material. Also: Flott zugegriffen!”


Der Aufdruck auf der Dose verspricht die Erfüllung aller Wünsche, die man an eine Tonaufnahme nur haben konnte: „Die klangvollste tonstärkste dauerhafteste und längste Hartgusswalze frei von jedem Nebengeräusch.” Dies ist mindestens leicht übertrieben.

Diese Aufnahme ist sehr ähnlich der hier folgenden Version von „Am Stammtisch“ auf Edison 15021. Wie viele andere deutsche Interpreten, beispielsweise Grete Wiedecke oder Gustav Schönwald, spielten auch Martin und Paul Bendix ihre Darbietungen für mehrere konkurrierende Phonographengesellschaften ein, darunter Elektra, Gold-Guss, Echo, Columbia, Schellhorn und natürlich Edison. Die jeweiligen Aufnahmen sind einander oft zum Verwechseln ähnlich.
Das Gleiche gilt in den frühen Jahren der Phonoindustrie auch für den amerikanischen, britischen und französischen Markt. Die zunächst vor allem von der Victor Talking Machine Company angestrebten Exklusivverträge setzten sich erst allmählich durch.









Das Couplet, das vom „Löwy“ handelt, der seine Familie verlässt, um in Amerika eine andere Frau zu heiraten, bedient antijüdische Klischees.

Leider enthält der Karton nicht die zugehörige Aufnahme „Beim Hundemetzger“ von August Juncker.

Rezension in „Phonographische Zeitschrift”, 10. Jg. Nr. 42, Berlin, 21.10.1909, S. 1003f. Rubrik „Phonokritik” von Max Chop:
„ – Endlich noch Gustav Schönwald mit seinem Ensemble! Die humoristische Szene: „Das unruhige Haus” (15023, 4 Min.) zeigt ihn im alten Fahrwasser. Ein Berliner Mieter in arger Bedrängnis vor seinem Hauspascha. Er will absolut ausziehen, obwohl ihm der Gestrenge einen Mietsnachlass von fünfzig Mark anbietet. Kein Wunder! Denn in diesem „behaglichen Heim” geht es bunt her. Eine ältliche Klavierenthusiastin radebrecht das „Gebet der Jungfrau”, ein Posauner bläst unter schmerzhaftem Tonüberziehen den „tiefen Keller”, ein Tenor schmachtet das Lied von der „finsteren Mitternacht”, ein Sopran erklärt kategorisch: „Ich lass mich nicht verführen!” Dazu das Gewimmer eines Leierkastens und andere Ohrenfoltern!! Als aber die Wachtparade unter dem Fenster vorüberzieht, verschwindet der Groll im Herzen des alten Soldaten; er erklärt, unter diesen Umständen wohnen zu bleiben. Sehr amüsant und geschickt dargestellt!”

Der in New York lebende deutsche Auswanderer Oscar Stolberg singt hier ein Couplet Otto Reutters, das sich über die Banalität des damaligen Gassenhauers Trink mer noch’n Tröppche auslässt. Im Unterschied zu den meisten von Edison in den USA angebotenen deutschsprachigen Aufnahmen der German series wurde diese wahrscheinlich nicht in Berlin oder München eingespielt und mit importierten Gussformen in den USA produziert, sondern auch in den USA aufgenommen.