Cakewalk

Einer der wichtigsten Vorgänger des Ragtime war der Cakewalk. Von einfacher Marsch-ähnlicher Struktur und starrer, gerader Metrik, hat er zugleich eine Menge an rhythmischen Akzenten gegen den durchlaufenden Takt. Bei dem zugehörigen Tanz folgen die Bewegungen teilweise den Synkopen, was im Zusammenspiel mit weit ausgreifenden Schritten und heftigen Bewegungen bizarre Bewegungsabläufe ergibt.

Die Ursprünge des Cakewalk liegen in Tanzwettbewerben, die farbige Plantagenarbeiter in der Zeit der Sklaverei in den USA abhielten. Der Wettbewerb bringt zwei Aspekte zusammen, die möglicherweise den Namen Cakewalk hervorgebracht haben: zum einen die Aufgabe, auf einer mit Kreide gezogenen Linie zu tanzen (Chalk-line-walk), zum anderen das Ziel, den als Preis ausgelobten Cake zu gewinnen.

In vielen Aufnahmen der Jahre um 1900 mit afroamerikanischen Einflüssen wird den Farbigen die Rolle von „Happy Darkies“ zugewiesen, ein rassistisches Stereotyp, das sie als musikalische, immer fröhliche, kindliche Gemüter skizziert. Besonders die von uns nicht repräsentierte Gattung der Coon-songs dreht sich ausschließlich um dieses negative Stereotyp. Manche Aufnahmen von Cakewalks, Rags und anderen synkopierten Instrumentalstücken sind mit szenischen „descriptive“- Merkmalen, wie Lachern, gerufenen Anweisungen oder unartikulierten Lauten angereichert, mit denen im Rahmen des beschriebenen Stereotyps die Anwesenheit Farbiger signalisiert wird.

Selbst ohne solche Bestandteile spielen zahlreiche synkopierte Instrumentalstücke, darunter auch Rags, schon im Titel auf rassistische Klischeevorstellungen an: Darkies Dream, Darktown Dandies, Darktown Cakewalk, Darkie Tickle, Darkie’s Dawn, The colored Major, Darkies Patrol, A dusky Belle, Mr. Black Man, Creole Belles, Darkey Volunteer…

„Cake-Walk – Walking the line“ , Stereofoto einer Cakewalkszene, 1890er Jahre.
Vess L. Ossman: At a Georgia Campmeeting (Frederick Allen „Kerry“ Mills). Banjo mit Klavierbegleitung. Columbia-Weichwachswalze 3837, um 1898/99.

Auf manchen record slips (den lose beigegebenen Etiketten) der Columbia-Wachswalzen von 1898 bis um 1902 ist Ossmans Name fehlerhaft Vers S. Ossman geschrieben.
Vess L. Ossman: The Darkey Volunteer (Fred Hylands). Banjo mit Klavierbegleitung. Columbia-Weichwachswalze 3853, 1899.

Auf manchen record slips (den lose beigegebenen Etiketten) der Columbia-Wachswalzen von 1898 bis um 1902 ist Ossmans Name fehlerhaft Vers S. Ossman geschrieben.
British Regimental Band: At a Georgia Campmeeting (Frederick Allen „Kerry“ Mills). Edison Bell-Weichwachswalze, um 1900.

Diese Walze ist hervorragend erhalten. Sie hat an keiner Stelle eine hängende oder springende Rille und keine sichtbaren Gebrauchsspuren. Die trotzdem an drei Stellen zu hörenden Sprünge und zwei Passagen mit verzerrter Wiedergabe sind auf einen fehlerhaften Kopierprozess oder eine schadhafte Masterwalze zurückzuführen. Die Kopierfehler blieben anscheinend unbemerkt, sodass dieses Exemplar in den Handel kommen konnte. Fazit: Eine Walze mit Schönheitsfehlern, die beispielhaft die technischen Probleme in der Frühzeit der Massenherstellung von Phonographenwalzen durch mechanische Duplikation erkennen lässt.
Vess L. Ossman: Whistling Rufus (Frederick Allen „Kerry“ Mills). Banjo mit Klavierbegleitung. Columbia-Weichwachswalze 3859, 1899 / 1900.

Mit einer Umdrehungsgeschwindigkeit von 143 U / min läuft die Walze etwas langsamer als ihre auf 160 U / min standardisierten Nachfolger der Gusswalzen-Ära. Die bei dieser Drehzal verfügbare Spieldauer ist so weit ausgenutzt, dass höchstens noch weitere 10 Sekunden bespielbar gewesen wären. Das recht langsame Tempo, mit dem Ossman und sein Klavierbegleiter Whistling Rufus hier interpretieren, dürfte also frei gewählt worden sein. Bei dem darauffolgenden Beispiel, einer von Ossman nur ein bis zwei Jahre später aufgenommenen, mit 160 U / min laufenden Gusswalze des gleichen Titels, ist deutlich die von der verkürzten Spieldauer erzwungene Hektik zu spüren.
Vess L. Ossman: Whistling Rufus (Frederick Allen „Kerry“ Mills). Banjo mit Klavierbegleitung. Columbia-Weichwachs-Gusswalze 3859, 1901/02.

Dieses Exemplar gehört zu den frühesten Columbia-Gusswalzen. Mit dem Aufkommen des Goldgussverfahrens stellte auch Columbia sofort auf die neue Produktionsmethode um, ohne aber von Anfang an eine geeignete Hartwachsmischung für den Guss zu haben. Solange diese nicht verfügbar war, wurden die Walzen weiterhin aus braunem Weichwachs hergestellt, etwas später aus schwarz gefärbtem Weichwachs. Der mit dem Gussverfahren möglich gewordene Vorteil einer bedeutend reduzierten Abnutzung konnte von Columbia also zunächst nicht genutzt werden.
Vess L. Ossman: Honolulu Cake Walk (J. W. Lerman). Banjo mit Klavierbegleitung. Columbia-Weichwachs-Gusswalze 3862, britische Ausgabe, um 1902.

Dieses Exemplar gehört zu den frühesten Columbia-Gusswalzen. Mit dem Aufkommen des Goldgussverfahrens stellte auch Columbia sofort auf die neue Produktionsmethode um, ohne aber von Anfang an eine geeignete Hartwachsmischung für den Guss zu haben. Solange diese nicht verfügbar war, wurden die Walzen weiterhin aus braunem Weichwachs hergestellt, etwas später aus schwarz gefärbtem Weichwachs. Der mit dem Gussverfahren möglich gewordene Vorteil einer bedeutend reduzierten Abnutzung konnte von Columbia also zunächst nicht genutzt werden.
Vess L. Ossman: Eli Green’s Cakewalk (Sadie Koninsky). Banjo mit Klavierbegleitung. Columbia-Weichwachs-Gusswalze 3856, um 1902.

Eli Green’s Cakewalk ist das älteste von nur wenigen Cakewalk- / Ragtime-Stücken aus der Feder von Komponistinnen. Zwei weitere, unter der Rubrik „Ragtime” vertretene Beispiele sind „Chicken Chowder“ und „Sleepy Lou“ von Irene Giblin.
Obwohl dem Titel nach ausdrücklich ein Cakewalk, ist diese Komposition mit ihren drei klar voneinander abgegrenzten thematischen Abschnitten („Strains”) der Struktur nach eher ein klassischer Rag. Wegen seines Namens ist er hier der Rubrik Cakewalk zugeordnet. Die Strains haben in den verschiedenen Einspielungen Ossmans immer die Reihenfolge AABBACCA. Damit weichen sie von der originalen Notierung in der Folge AABBACCDB ab, die mit D noch einen weiteren Strain enthält. Zudem tauschte Ossman die Stellung von B und C.
Dieses Exemplar gehört zu den frühesten Columbia-Gusswalzen. Sie spielt bereits mit der erhöhten Umdrehungsgeschwindigkeit von 160 U/min. Mit dem Aufkommen des Goldgussverfahrens stellte auch Columbia sofort auf die neue Produktionsmethode um, ohne aber von Anfang an eine geeignete Hartwachsmischung für den Guss zu haben. Solange diese nicht verfügbar war, wurden die Walzen weiterhin aus braunem Weichwachs hergestellt, etwas später aus schwarz gefärbtem Weichwachs. Der mit dem Gussverfahren möglich gewordene Vorteil einer bedeutend reduzierten Abnutzung konnte von Columbia also zunächst nicht genutzt werden.
Peerless Orchestra: Ma Ragtime Baby (Fred S. Stone). Edison Gold Moulded Record 700, um 1902.
Peerless Orchestra: Whistling Rufus (Frederick Allen „Kerry“ Mills). Edison Gold Moulded Record 704, um 1902.
Fred van Eps: The International Cakewalk (Louis Reinhard). Banjo mit Klavierbegleitung. Edison Gold Moulded Record 8236, 1902.
Fred van Eps: The international Cakewalk (Louis Reinhard). Banjo-Solo mit Klavierbegleitung, International Phonograph Indestructible Record 2007, um 1903. Raubkopie von Edison Gold Moulded Record 8236, 1902, mit geänderter Ansage.

Wie viele Celluloidwalzen, ist auch dieses Exemplar geschrumpft und läuft unrund. Die Verformung ist so stark, dass die Walze sich nicht fehlerfrei mit unserem elektronischen Gerät abspielen lässt. Sie wurde auf einem Edison-Home-Phonographen abgespielt und über ein Mikrophon aufgenommen.
Edison Gusswalze Cakewalk Orchester Wachs
Vess L. Ossman: Hot Stuff Patrol (unbek. Komponist). Banjo mit Bläserbegleitung. Edison Gold Moulded Record 2616, 1902.
Peerless Orchestra: Smoky Mokes (Abe Holzmann). Edison Gold Moulded Record 712, 1903.
Columbia Orchestra: Kitchy Coo (Gus Edwards). Columbia Moulded Record 32082, 1903.
Oberfläche einer 2-Minuten-Gusswalze Wachs
Columbia Orchestra: Whistling Rufus (Frederick Allen „Kerry“ Mills). Columbia Gusswalze 15203, um 1903.
Will C. Pepper: Tar Heel Carolina Cakewalk (Dan J. Sullivan). Banjo mit Klavierbegleitung. Pathé Gusswalze 70026, um 1903.
Edison Gusswalze Phonograph Ragtime Banjo Wachs Gold Moulded
Vess L. Ossman: Razzle Dazzle (Harry von Tilzer). Banjo mit Bläserbegleitung. Edison Gold Moulded Record 8618, 1904.
Edison Military Band mit Gesang und Pfeifen: Mr Black Man (Arthur Pryor). Edison Gold Moulded Record 8669, 1904.
Edison Military Band: Jovial Joe (Justin Ringleben). Edison Gold Moulded Record 8838, 1904.

Kommentierte Ankündigung in „Edison Phonograph Monthly”, Jg. 2, November-Dezember 1904, S. 9:
”No. 8838, „Jovial Joe,” is a composition written by Justus Ringleben and is played by the Edison Concert Band. It is a slow drag cakewalk and is written in the general style of ”Southern Smiles” and ”Peaceful Henry,” both of which achieved great popularity. Considerable public favor is expected of ”Jovial Joe.”
Vess L. Ossman: The coloured Major (Henry R. Stern). Banjo mit Bläserbegleitung. Edison Gold Moulded Record 86454, 1904.
British Military Band: Hot Stuff Cake Walk (J. Arlie Dix). Edison Gold Moulded Record 12941, 1904.
London Concert Orchestra: Mumblin Moss (Thomas W. Thurban). Edison Bell Gold Moulded Record 673, 1904.

Die hohe Stimme des Ansagers Harry Bluff, der in den Jahren nach 1900 einen großen Teil der Aufnahmen der Edison-Bell-Gesellschaft ansagte und selbst zahlreiche Gesangsaufnahmen machte, erweckt den Eindruck, die Walze werde zu schnell abgespielt. Sie spielt jedoch im korrekten Tempo von 160 U/min.

Cakewalks sind nicht in allen Fällen Instrumentalstücke. Es gibt auch Varianten mit längeren Liedtexten, so etwa „At a Georgia Campmeeting” oder „Whistling Rufus” und Beispiele mit kürzeren gesungenen Passagen, wie „Mr. Black Man”. „Mumblin Moss” mit dem Unsinnstext „Dum-Diddle-Dum Iddle Diddle-Iddle-Dum” ist dennoch wohl eher als Instrumentalstück zu betrachten.
Columbia Orchestra: Smoky Mokes March (Abe Holzmann). Columbia Moulded Record 15220, um 1905.
Banda espanola: „Berta“ Cake Walk y Two-Step (Miguel Lerdo de Tejada). Columbia Gusswalze 40492, um 1905.
London Concert Orchestra: The Darktown Cakewalk (unbek. Komponist). Edison Bell Gold Moulded Record 784, um 1905.

Die hohe Stimme des Ansagers Harry Bluff, der in den Jahren nach 1900 einen großen Teil der Aufnahmen der Edison-Bell-Gesellschaft ansagte und selbst zahlreiche Gesangsaufnahmen machte, erweckt den Eindruck, die Walze werde zu schnell abgespielt. Sie spielt jedoch im korrekten Tempo von 160 U/min.
John J. Kimmble: American Cakewalk. Akkordeon mit Klavierbegleitung. Edison Gold Moulded Record 9341, 1906.
Edison Goldguss Walze Wachs Ragtime Cakewalk Phonograph
Edison Military Band: The Dream of the Rarebit Fiend (Thomas. W. Thurban). Edison Gold Moulded Record 9595, 1907.

„The Dream of the Rarebit Fiend” war der Titel eines seit September 1904 regelmäßig in mehreren Zeitungen erscheinenden phantastischen Comicstrips des Zeichners Winsor McCay. Der ursprüngliche Name des schon um 1900 mehrfach aufgenommenen Cakewalks ist „The (Permans‘) Brooklyn Cakewalk”.
Oberfläche einer 2-Minuten-Zelluloidwalze
Fred van Eps: Trombone Johnson (E. J. Stark) Banjo mit Bläserbegleitung. Columbia Indestructible Cylinder Record 722, 1908.
American Symphony Orchestra: Uncle Remus (Marvin Bean). Edison Record 10224, 1909.
Vess L. Ossman: Drowsy Dempsey (Hildreth). Banjo mit Orchesterbegleitung. Columbia Indestructible Cylinder Record 898, 1909.
Indestructible Military Band: A Coon Band Contest (Arthur Pryor). Two Minute Oxford Cylinder Record 1237, 1909.
Alexander Prince: Mr. Black Man (Arthur Pryor). Concertina mit Klavierbegleitung. Edison Record 13984, 1910.
John Lacalle’s Band: At a Georgia Camp Meeting Two-Step (Frederick Allen „Kerry“ Mills). Indestructible 4-min-Gold Moulded Cylinder 3097, 1910.